Dieses Mal mit Esel unterwegs!

06.11.2022

Eselspaziergang in der Provence

Titelbild
Bigoudi, der Charmeur
Bigoudi, der Charmeur

Die Inspiration: Der sympathische französischen Spielfilm über eine Frau, die per Zufall zu einer Wanderreise mit Esel kommt.
Angetan von der Idee google ich der Sache nach und tatsächlich: In Frankreich gibt es gleich mehrere Orte, die Eseltrekking anbieten.
So beschliessen eine Freundin und ich, ein Häuschen mitten in einem Eselhof in der Provence zu mieten mit dem Ziel, uns einen Tag mit Esel auf Wanderschaft zu begeben.
Wir fühlen uns
sofort wohl hier, wo die Ruhe nur von gelegentlichen Eselrufen unterbrochen wird und die Landschaft von Weinbau und dem eindrücklichen Hügelmassiv des Luberon geprägt ist.
Bald kommt unser Eselwandertag. Ein wenig nervös fragen wir uns, wie es wohl klappt, alleine mit einem uns fremden Grautier los zu zotteln.
Die Besitzerin stellt uns einen hübschen Kerl der regionalen Rasse: Sein Name ist Bigoudi. Er besitzt einen hellgrauen Kopf mit sanften, dunklen und ausdrucksstarken Augen. Über die Schultern und längs des Rückens verläuft das rassetypische schwarze Kreuz, auch das Martinskreuz genannt nach dem hiesigen Heiligen.
Sie spart mit Ratschlägen betreffs Handling des Esels. Was wir erfahren:
A) Wir sollen geduldig sein
B) Nicht am Strick ziehen, sondern fein ruckeln für den Vorwärtsgang,
C) Viel mit ihm reden.
D) Bitte mit den Hunden vorne gehen. Da kein Hundefreund fühlt unwohl, wenn sie hinter ihm gehen. Der letzte Hinweis erweist sich leider als fatal.
Zu Beginn läuft alles, inklusive des Esels, wie geschmiert. Nach ca. 20 Minuten kommt die erste Pause.  Bigoudi darf an der Böschung grasen. Ohne Probleme setzen wir den Weg fort und erreichen bald das mittelalterliche Städtchen Cucuron.
Soweit, so gut. Ich freu mich schon über unsere harmonische Wanderung, da geschieht es: In einer schmalen Strasse bleibt Bigoudi abrupt stehen und bewegt sich keinen Zentimeter mehr. Unverzüglich beginnt er, von den am Boden liegenden Feigen zu naschen. Nebenan steht majestätisch ein mächtiger Feigenbaum, seine Früchte überall auf der Strasse verteilt. Dass sie zu Muss getreten und voller kleiner Steine sind, stört Bigoudi in keiner Weise. Eine Frucht im Maul nimmt er sich Zeit, sie so lange hin und her zu drehen, bis alle Steine aussortiert und ausgespuckt sind. So, jetzt bitte die Nächste.
Alles Zureden und Bitten, alles Ziehen und Schieben bringt…gar nichts. Als von hinten ein Auto kommt, kann dieses nicht weiter. Der Fahrer steigt aus und hilft mit beim Esel Bewegen. Er pflückt gar vom Baum ein paar Früchte zum Locken. Sie werden gnädig aufgenommen, doch bewegen lässt sich unser Freund nicht. Schliesslich kommt auch von vorne ein Auto. Beide kehren unverrichteter Dinge um, sich einen anderen Weg zu suchen.
Zum guten Glück gab es nur Verständnis (oder Mitleid?) von deren Seite. Wir sind mindestens schon eine halbe Stunde an derselben Stelle. Sollen wir die Übung abbrechen und die Besitzerin bitten, den Esel mit dem Anhänger zu holen? Ich bleibe tapfer und plötzlich, wer weiss warum, hat unser Freund ein Einsehen und geht weiter. Die Freude und auch ein bisschen Stolz  meinerseits sind riesig.

Es geht nicht vorwärts
Es geht nicht vorwärts

Leider haben wir uns zu früh gefreut. Der Gang durch das hübsche Städtchen verläuft eine Zeit lang gut, bis der grauhaarige Vierbeiner wieder einmal beschliesst, eine längere Essenspause einzulegen und die Gebüsche am Strassenrand zu inspizieren. Immerhin haben wir dazwischen einen viertelstündigen Marsch hinter uns.
Zum guten Glück schaffe ich es diesmal, ihn „schon“ nach 10 Minuten zum Weitergehen zu überreden. Wir verlassen die Ortschaft und folgen einem lauschigen Pfad am Bach endlang, weiterhin im Modus Stop and Go.
Unser Mittagsziel, eine kleine Kapelle auf einer Anhöhe mit Aussicht auf die Ebene ist nicht mehr weit, jedoch scheint sie plötzlich unerreichbar.
Denn Mister Langohr hat eine neue Spezialität entdeckt: Feiner Bambus, der büschelweise am Wegrand wuchert. Ein paar Meter weiter geht Bigoudino weiter, Einsicht vortäuschend, dass hier nicht gerastet wird. Dann denkt er nochmals nach und beschliesst, dass dies zuviel des Entgegenkommens von seiner Seite sei und bleibt beim nächsten Baum stehen, wieder einmal felsengleich steif.
Ich bin fertig mit den Nerven und gebe nach. Neben dem Bambus festgebunden, geniesst er sein Mittagsmahl und wir beide Unseres mehr oder weniger bequem am Wegrand hockend. So geht das nicht weiter, sind wir uns einig. Ein wenig Spass sollte der Ausflug auch uns machen.
Als wir so desillusioniert dahocken, (also ich bin es auf jeden Fall, dachte ich doch, ich kann mich ganz leidlich bei Tieren durchsetzen, bis ich auf Bigoudi traf), kommt von der Kapelle ein freundlicher älterer Herr im Wanderdress daher.
Wir plaudern ein wenig und erzählen ihm unser Leid. Er fragt, ob wir das Reisebuch von Stevenson gelesen hätten. Nein, antworte ich, aber ich habe davon gehört.
(Robert Louis Stevenson, der Autor von:“ die Schatzinsel“ erzählt darin von einer 12-tägigen Reise mit seiner Eselin Modestine durch die Cevennen im Jahr 1878.)
Er beschreibt darin, wie er anfangs dasselbe Problem wie wir hatte: Das Vieh bewegte sich ganze drei Tage kaum von der Stelle. Er bekam viele Ratschläge von Bauern, die er unterwegs traf und dieser funktionierte: "Du nimmst einen Ast oder Stecken und treibst den Esel von hinten. Nie einen Esel ziehen, immer treiben, heisst die Devise." Ist ja eigentlich klar, denk ich mir, so machen Esel es auch untereinander, sie treiben und schnappen dabei manchmal sogar.
Wir hatten uns das bis anhin nicht getraut, da die einzige Person, die hätte treiben können, meine Freundin, mit den Hunden dem Esel zu liebe vorne lief.
Also ein letzter Versuch. Meine Mitwanderin führt den Esel und ich piekse mit einem Stecken leicht in seinen Allerwertesten.
Und siehe da: Das Grauvieh läuft plötzlich wie am Schnürchen. Der Respekt uns gegenüber ist hergestellt und die Methode funktioniert anschliessend bombensicher.

Es geht vorwärts..
Es geht vorwärts..

Kaum bremst er ab, braucht es nur ein Heben des Steckens und er beeilt sich, wieder in die Gänge zu kommen.

Ne pas tirer.
Ne pas tirer.
Zeichnung
Freunde
Freunde
Die Kapelle, endlich!
Die Kapelle, endlich!
Begegnung mit Schimmel
Begegnung mit Schimmel
 
 

Der Rest der wunderschönen Wanderung verläuft ohne Probleme und sehr entspannt. Wir geniessen die kurze Rast bei der Kapelle, machen ein paar Fotos und wandern anschliessend in einem Bogen entlang des Luberon, bei Pferdeweiden und Weinbergen vorbei in Richtung Eselhof.
Wohlbehalten und auch ein bisschen stolz geben wir Bigoudi ab.

Frei
Das Sandbad ruft
 
Baden im Sand

Er gönnt sich als erstes ein ausgiebiges Sandbad auf der Weide .
Ich meinerseits bin hundemüde, aber auch glücklich, den Tag mit dem sympathischen, intelligenten und sturen Esel verbracht zu haben.
Tage später erkennt er mich sofort wieder, als ich ihn bei der Weide besuche. Eifersüchtig jagt er die anderen Endel weg.